Vom Pioniergeist zur heutigen SRG
Normalerweise laden wir unsere Neumitglieder ins Radiostudio St. Gallen ein, um sie persönlich willkommen zu heissen. Aufgrund der anhaltenden Pandemie begrüsste unser Präsident, Canisius Braun, die Mitglieder im Rahmen unserer ersten Zoom-Veranstaltung zum Thema «SRG verstehen». Danach erklärten Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik an der ZHAW, und Matthias Künzler, Forschungsleiter für Medienkonvergenz an der FH Graubünden, den Teilnehmenden das Konstrukt der SRG.
1931 entstand aus einer Vielzahl regionaler Radioklubs die Schweizerische Rundspruchgesellschaft – als Verein. Die damaligen Radio-Enthusiasten wollten mit dieser Rechtsform und ihren föderalistischen Strukturen eine möglichst breite Abstützung der SRG in der Bevölkerung erwirken. Sie waren überzeugt, dies mit der Vereinsstruktur zu erreichen, damit alle Schweizer Landes- und Sprachregionen vertreten sind. Die Struktur bewährte sich, und im Februar 2021 feierte die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft ihr 90jähriges Jubiläum.
Die Anfänge der heutigen SRG waren zögerlich, da der Rundspruch um 1900 hauptsächlich militärischen Zwecken vorbehalten war. Mit der Zeit schlossen sich immer mehr Radio-Enthusiasten zusammen und verbreiteten ab 1920 erste regionale Informationssendungen und Musikprogramme. Das Radiofieber breitete sich von der West- in die Deutschschweiz aus und erreichte mit der Gründung des Radioklubs St. Gallen auch die Ostschweiz, wo im Zuge der nationalen Bewegung die Ostschweizerische Radiogesellschaft ORG – Ihre heutige SRG Ostschweiz – gegründet wurde. Damit sicherte sich die damals studiolose Ostschweiz eine angemessene Vertretung in der zu gründenden SRG.
Obwohl der Landessender Beromünster verschwunden ist und die ORG sich nicht mehr für flächendeckenden Radio- und Fernsehempfang in den Ostschweizer Landesteilen einsetzen muss, nimmt sie auch heute die Stimmen der Ostschweiz auf und vertritt diese innerhalb der nationalen Gremien. Engagierte Mitglieder haben dadurch die Möglichkeit, an der SRG zu partizipieren.
Matthias Künzler widerlegte auch den Mythos des Staatsmediums. Die SRG besteht aus vier sprachregional gegliederten Vereinen, die sich wiederum aus regionalen Vereinen oder Genossenschaften zusammensetzen. Im neunköpfigen Verwaltungsrat sind lediglich zwei Mitglieder durch den Bundesrat bestellt. Vier Mitglieder sind die Präsidenten aus den Regionalgesellschaften, die durch den Regionalrat gewählt werden. Die übrigen drei Mitglieder, darunter der Verwaltungsratspräsident, werden durch die 41 Delegierten gewählt. Die SRG Ostschweiz ist mit drei Mitgliedern in der Delegiertenversammlung vertreten.
Die SRG als Verein besitzt für die Auftragserfüllung des Bundes die unabhängigen sprachregionalen Unternehmen SFR, RTS, RSI und RTR sowie SWI. Der Regionalrat nominiert deren Direktorinnen und Direktoren, die durch den Verwaltungsrat gewählt werden. Die SRG ist somit privatrechtlich organisiert und hat mit einem typischen Staatsmedium nichts gemein.
In den vergangenen 90 Jahren hat sich das Rollenverständnis der Trägerschaften geändert. Galt es einst, Strukturen zu schaffen und bei Programminhalten massgebend mitzubestimmen, übt sie heute eine Brückenfunktion zwischen Gesellschaft und Unternehmen aus, sorgt für die Verankerung der SRG in der Gesellschaft durch Vermittlung von Anliegen und beobachtet resp. kritisiert die Programme.
Dieses Rollenverständnis lebt auch die SRG Ostschweiz: Die Gremien nutzen den regelmässigen Austausch mit Mitgliedern und tragen ihre Anliegen über die Kommissionen in die nationalen Institutionen hinein. So lebt der Pioniergeist von einst durch engagierte Vereinsmitglieder weiter.
Michael Marugg, Kommission für Öffentlichkeitsarbeit
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