Regionaljournal Ostschweiz stand unter doppelter Beobachtung
Ende Mai versammelten sich – Corona-bedingt virtuell – die Programmkommissionen der SRG Zürich Schaffhausen sowie der SRG Ostschweiz zu ihrer zweiten gemeinsamen Sitzung. Nachdem sie im März 2020 das Regionaljournal Zürich Schaffhausen kritisch beobachtet hatten, stand diesmal das Regionaljournal Ostschweiz im Fokus. Konkret ging es um die Abendsendungen vom 10., 11. und 12. Mai. Hildegard Jutz, Präsidentin der Programmkommission Ostschweiz, moderierte die Diskussion.
Der Gesamteindruck, den die Mitglieder beider Programmkommissionen von den drei Regionaljournal-Ausgaben erhielten, war ein durchaus positiver: Die Sendungen seien informativ, kurzweilig und thematisch vielfältig gewesen. Der Mix aus News und Schwerpunktthemen hat gefallen; geschätzt wurden auch das solide journalistisches Handwerk, die angenehmen Moderationen, das entspannte Sprechtempo, die sympathischen Stimmen sowie der professionelle Einbezug von O-Tönen.
Das Wichtigste des Tages habe man erfahren. Allerdings: Dieses Wichtigste sei gelegentlich etwas kurz und leichtfüssig abgehandelt worden. Auch Reihenfolge und Gewichtung seien hie und da nicht nachvollziehbar gewesen. Generell wären mehr harte News und weniger Glanz & Gloria-Geschichten lieber gewesen.
Maria Lorenzetti, die Leiterin des Studios Ostschweiz, nahm die Eindrücke interessiert entgegen und gab auch zu bedenken, dass in der beobachteten Zeit – der Woche von Auffahrt – die News-Lage wie gewohnt dünner war als sonst.
Glaubwürdig und nachvollziehbar
Im Grossen und Ganzen beurteilten die Mitglieder der Programmkommissionen die Beiträge als sehr glaubwürdig. Die Journalist*innen bemühten sich um Transparenz und Neutralität. Quellen – also wer die Aussage gemacht hat – wurden genannt und oft sogar mit O-Tönen überprüfbar untermauert. In der Regel kamen alle Beteiligten ausgewogen zu Wort.
Allerdings wurden bei der Ausgewogenheit auch kleine Mängel entdeckt. Hie und da wäre mehr hartnäckiges Nachfragen sowie der Einbezug weiterer Seiten wünschenswert gewesen. Die Behördensicht sei demgegenüber (zu) gut weggekommen.
Maria Lorenzetti nahm diese grundsätzlich positiven Rückmeldungen zu Werthaltungen und Glaubwürdigkeit gern entgegen. Kleinere Unsauberkeiten im Einzelnen kämen in der Hitze des Tagesgeschäfts halt immer wieder vor. Und so konnte sie bestätigen, dass die gleichen Beiträge, welche die Programmkommissionen nur mit Abstrichen goutierten, auch bei der Sendungskritik im Studio zu Diskussionen geführt hatten.
Vier Beiträge diskutabel
Da war beispielsweise der Beitrag «Schandfleck» über die vor 17 Jahren stillgelegte Raststätte an der Walensee-Autobahn. Es gab zwar Stimmen an der Video-Konferenz, die Spass hatten an diesem «Soft-Thema», die Mehrheit aber fühlte sich mit mehr Fragen als Antworten zurückgelassen. Die Glaubwürdigkeit fehle, weil nur die Sicht des Eigentümers aufgezeigt wurde. Man vermisste die Sicht von Gemeinde, Kanton und Astra sowie einen aktuellen Aufhänger.
Auch das Studio-Team sei nicht ganz glücklich über den Beitrag gewesen, erklärte Maria Lorenzetti. Offenbar sei den Behörden keine Informationen zu entlocken gewesen. Dies hätte man transparent machen müssen. Stattdessen habe man sich auf den Eigentümer fokussiert – und diesen Fokus dennoch nicht konsequent eingehalten.
Der zweite diskutierte Beitrag handelte von einer Sarganser Familie, die seit 20 Jahren mit Kind und Kegel die Welt «auf Klimamission» umsegelt. Auch diese Diskussion verlief kontrovers. Eigentlich gefallen solch originelle Geschichten, aber mit der Umsetzung konnte man sich nicht anfreunden. Gutmenschen, die auf dem Meer leben und Abfall sammeln, hätten ein grosse Bühne erhalten. Zu viele Fragen blieben offen, und kritische – wie «Was hat man fürs Klima erreicht?» - wurden nicht gestellt. So sei ein Sponsoring-Beitrag für eine an sich gute Sache entstanden.
Maria Lorenzetti und ihr Stellvertreter Silvio Liechti gaben zu bedenken, dass diese Geschichte ein Fall von «positivem Journalismus» war. Thematisiert wurden das Klima, zurzeit höchst aktuell, sowie eine menschliche Ausnahmesituation, die Fragen über Fragen auslöst. Die ganze Geschichte, da stimmten die beiden zu, sei in kleinen sechs Minuten nicht zu erzählen. Vielleicht wäre sie auch in einer weniger News-armen Zeit als der Auffahrtswoche nicht erzählt worden.
Viel zu reden gab sodann ein Beitrag über Wolfe, die verdächtigt wurden, im Weisstannental Herdenschutzhunde angegriffen zu haben. Den einen fehlten auch hier die harten Fakten. Der Mehrheit aber gefiel gerade, dass das Regionaljournal diese Ungewissheit zum Ausdruck brachte. Der Amtsleiter «Jagd und Fischerei» des Kantons St.Gallen kam zu Wort, der den Wolf in Verdacht hatte, aber auch der Bündner Herdenschutzbeauftragte, der die Situation ganz anders einschätzte. Silvio Liechti unterstrich die Relevanz des Themas, denn die Frage, wer mehr Anspruch auf Schutz hat, der Wolf, der Hund oder die Schafe, wird intensiv öffentlich diskutiert.
Der vierte kritisch beurteilte Beitrag war ein längeres Gespräch mit einem Churer Street-Art-Künstler über die Graffiti-Bewegung. Hier vermisste man den aktuellen Aufhänger sowie eine konkrete und fokussierte Themeneingrenzung. Die Fragen empfand man als repetitiv und gelegentlich zu hartnäckig. Die beiden Vertreter des Studios konnten die Kritik nachvollziehen, gaben allerdings zu bedenken, dass Chur zurzeit ein kleiner Hotspot für Street-Art ist. Dies sei im Beitrag jedoch zu wenig herausgekommen.
Gebietskulisse: sechs Kantone
Zu reden gibt bekanntlich die Kritik, nicht das Gros der Beiträge, an denen man nichts aussetzen wollte. Die Kolleginnen und Kollegen von Zürich-Schaffhausen staunten denn auch über die Herausforderung, die das Regionaljournal Ostschweiz täglich zu bewältigen hat, ein Gebiet von sechs Kantonen abzudecken. Alle Regionen fair zu berücksichtigen, erachtete Katrin Hug, die Leiterin des Regionalstudios Zürich, als sehr anspruchsvoll – und sie wies darauf hin, dass angesichts der Dominanz von Zürich es nicht einfach sei, Schaffhausen gebührend zu berücksichtigen. Überrascht waren die auswärtigen Beobachter*innen von der Homogenität der Dialekte der SRF-Mitarbeitenden: alle ostschweizerisch. Dagegen sei Zürich ein richtiger Melting Pot an Deutschschweizer Dialekten. Und als etwas gemütlicher empfand man Ostschweiz im Vergleich zum hektischen Zürich...
Die Bilanz der beiden Programmkommissionen über die zwei gemeinsamen Beobachtungen fiel sehr positiv aus. Für die «Auswärtigen» sei es jeweils eine spannende radiophone Reise durch das andere Gebiet gewesen. Auch Stefan Z’Graggen, Präsident der Programmkommission Zürich Schaffhausen, bilanzierte das Experiment der gegenseitigen Beobachtung als sehr interessant und ergiebig. Viel Gemeinsamens wurde entdeckt, aber auch kleine, feine Unterschiede. Auf ein andermal!
Hildegard Jutz, Präsidentin der Programmkommission SRG Ostschweiz
Stefan Z’Graggen, Präsident der Programmkommission SRG Zürich Schaffhausen
St. Gallen, 12. Juni 2021
Bild: pixabay