Keine Lust mehr hinzuschauen und hinzuhören
News Fatigue oder auf Deutsch Nachrichtenmüdigkeit bezeichnet das Phänomen, dass man irgendwann keine Lust mehr auf Nachrichten hat. Es wird einem zu viel, immer nur von Krieg, Terror, Tod, Leid und Gewalt zu lesen und zu hören. Diesem Thema widmete sich das 10. Medienforum der SRG Ostschweiz, das kürzlich im Kantonsratsaal in St. Gallen stattfand und rund 80 Interessierte anzog.
Gibt es bestimmte Themen oder Ereignisse, bei denen Sie bewusst Nachrichten vermeiden, weil sie emotional belastend sind? Diese Frage wurde den Anwesenden zu Anfang des Abends gestellt. Krieg, Kriegsberichterstattung und Trump waren die meistgenannten Stichwörter. Zudem gaben 62 Prozent an, auch schon ermüdet gewesen zu sein von der täglichen Nachrichtenflut. Iwan Lieberherr, Podiumsteilnehmer und Moderator beim «Echo der Zeit» von SRF, nahm diese Stellungnahmen zur Kenntnis und sagte dazu: «Das «Echo der Zeit» bildet die Welt ab, wie sie ist. Es gibt eben diese Konflikte, und der Auftrag der Sendung ist es, abzubilden, zu bewerten und zu erklären.» Für ihn ist es eine Gefahr, wenn sich immer mehr vom Nachrichtenkonsum ausklinken und sich höchstens noch in sozialen Medien informieren. «Wer sich von den News zurückzieht, zieht sich von der Demokratie zurück», so seine Ansicht.
Auch für Nadine Sommerhalder, Chefredaktorin von Watson, wäre es fatal, wenn sich noch mehr Menschen von den News verabschieden würden. Für sie steht jedoch etwas anderes im Vordergrund: «Wir leben von Leserinnen und Lesern sowie von Videokonsumentinnen und -konsumenten. Wir sind push-getrieben und die Klickzahlen sind wichtig.» Sie redet auch der Emotionalisierung der Themen das Wort: «Sie befriedigt ein Bedürfnis des Publikums und schafft einen näheren Bezug zum Thema.»
Anders sieht es die Psychologin. Sereina Venzin rät, sich ab und an auszuklinken. Es sei wichtig, in diesem ganzen Nachrichtenschwall eine Selektion vorzunehmen und uns selbst zu limitieren. Sie meint: «Wir haben eine immer grössere Auswahl an Nachrichten, das kann belasten und ein Gefühl von Überflutung auslösen.» Ihrer Ansicht nach soll man sich auf das Wesentliche fokussieren und gewisse News vermeiden, ohne sich allerdings ganz aus der News-Welt zu verabschieden.
Reto Peritz, der vierte Podiumsteilnehmer, brachte einen ganz anderen, aber nicht minder interessanten Aspekt ein. Als Abteilungsleiter Unterhaltung von SRF beleuchtete er die Bedeutung der Unterhaltung in unserer newsgefluteten Zeit. «Unterhaltung schafft einen Ausgleich zu den News. Sie bietet Momente zum Abschalten und zum Erholen. Und sie lebt von Emotionen», ist Peritz überzeugt.
Immer wieder brachte sich das Publikum aktiv und engagiert in die Diskussion ein und berichtete von seinen Erfahrungen im Umgang mit den Nachrichten und der Bewältigung dieser Flut. Auf die zum Schluss gestellte Frage, was die Erkenntnis der anderthalb Stunden des Medienforums seien, kamen zahl- und aufschlussreiche Rückmeldungen. Es sei wichtig, Newshygiene zu betreiben, bei den Nachrichten zu filtern, sich bewusst zu werden, nicht alles wissen zu müssen, oder das Wichtige zu erkennen. Ebenso sei es bedeutsam, sogenannt «schöne» Beiträge mit «good news» zu konsumieren und im Hinblick auf die heranwachsende Generation, vermehrt ein Augenmerk auf die Medienkompetenz zu legen, das heisst, den Umgang mit den Medien zu üben und zu lernen.
Walter Hofstetter, Kommission für Öffentlichheitsarbeit
Bilder: Marco Hartmann
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